Zwei Hände greifen sich.

Gewalt erlebt? So bekommst du Hilfe

Beleidigungen, körperliche Angriffe, sexualisierte Übergriffe: Gewalt am Arbeitsplatz kann viele Facetten haben. Doch wo beginnt sie? Was kannst du tun, wenn du betroffen bist? Und wie kannst du andere unterstützen? Wir helfen dir weiter.

Gewalt am Arbeitsplatz beginnt nicht erst, wenn zugeschlagen wird. Wir unterscheiden zwischen verbaler, non-verbaler und körperlicher Gewalt, erklärt Claudia Vaupel, Psychologin und BGW-Expertin zum Thema Gewalt. Beleidigungen und Drohungen etwa fallen unter verbale Gewalt. Non-verbale Gewalt ist zum Beispiel durch Drohgebärden gegeben, aber auch durch Anstarren, besonders im Falle von sexualisierter Belästigung. 

Körperliche Gewalt schließt alles ein, was deine körperliche und psychische Unversehrtheit angreift. Dazu gehören unter anderem Schläge, Tritte, Schubsen, Kneifen oder das Werfen von Gegenständen. Sexualisierte oder rassistische Gewalt können auf allen Ebenen auftreten. Damit etwas als Gewalt gilt, muss es nicht einen körperlichen Schaden zur Folge haben. Psychische Verletzungen sieht man oft nicht, sind aber genauso ernst zu nehmen, ergänzt Claudia Vaupel. Es zählt, wie es bei der betroffenen Person ankommt. Das ist besonders bei sexualisierten Übergriffen wichtig zu wissen.

Du hast Gewalt erlebt? 

Hoffentlich kommst du nie in die Situation, dass dir Gewalt am Arbeitsplatz widerfährt. Falls leider doch, gehst du am besten so vor:

  1. Nimm dich selbst und deine Gefühle ernst: Das ist nicht immer einfach. Übergriffe, vor allem sexuelle, können sehr schambesetzt sein, was zur Folge haben kann, dass man sie runterspielt. Dennoch: Gewalt musst du nicht aushalten. Wenn sich etwas schlecht und falsch anfühlt, nimm es ernst. Wichtig ist, dass du dich nach Gewaltereignissen, egal welcher Art, gut um dich kümmerst. Das heißt: achte auf Selbstfürsorge, bitte um Hilfe und Unterstützung. Manche Menschen verfallen nach solchen Erlebnissen in ungesunde Verhaltensweisen, greifen zu Drogen oder Alkohol. Wenn du merkst, dass dich die Situation nachhaltig belastet, suche dir unbedingt Hilfe.
  2. Hole dir Unterstützung: Du musst die Situationen nicht alleine aushalten, soziale Unterstützung ist nach Gewalterlebnissen sehr wichtig. Wende dich dafür an Kolleginnen und Kollegen und deine Vorgesetzten. Im besten Fall habt ihr nach solchen Situationen einander immer im Blick. Dein Arbeitgeber oder deine Arbeitgeberin ist dir gegenüber in einer Fürsorgepflicht und muss dafür sorgen, dass dein Arbeitsplatz belästigungs- und diskriminierungsfrei ist. Es gibt mehrere Gesetze, die das regeln. Dein Arbeitsplatz sollte deshalb auf solche Situationen vorbereitet sein und eine Beschwerdestelle eingerichtet haben, dich unterstützen und die Dokumentation übernehmen. 
  3. Die BGW einbeziehen: Körperliche Angriffe und sexualisierte Übergriffe zählen zu Arbeitsunfällen. Deshalb müssen solche Fälle vom Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin immer gemeldet und dokumentiert werden. Auch "kleinere" Vorfälle, wie einzelne Beleidigungen, können – wenn sie sich oft wiederholen und andauernd – ernsthafte Folgen haben und zu einer psychischen Belastung werden. Diese "kleinen" Vorfälle müssen nicht der BGW gemeldet werden, aber durch Maßnahmen im Betrieb angegangen werden. Ein Gegengewicht kann ein gutes Betriebsklima sein. Auch dort ist wieder dein Arbeitgeber oder deine Arbeitgeberin gefragt: Fallbesprechungen und Supervisionen, können den Druck auffangen und die Gefährdungsbeurteilung Psyche gemeinsam mit der betrieblichen Dokumentation die Probleme deutlich machen. 
  4. Gib dir Zeit: Manche Situationen kannst du schnell verarbeiten, bei anderen braucht es etwas Zeit. Achte auf dich und schaue, wie du dich nach drei bis sieben Tagen fühlst. Wenn dich das Erlebte weiterhin belastet, du Symptome wie Angst vor der Arbeit oder Vermeidungsverhalten bei dir beobachtest oder schlecht schläfst, solltest du dir externe Hilfe holen. Bei Gewaltvorfällen, die während der Arbeit passiert sind, wendest du dich an die BGW.  
  5. Nutze Hilfsangebote: Die BGW unterstützt dich auf verschiedenen Wegen. So kannst du eine telefonische-psychologische Beratung nutzen, um mit Psychotherapeutinnen oder -therapeuten über das Erlebte zu sprechen. Es gibt zudem weitere Hilfetelefone, an die du dich wenden kannst, z. B. das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen": 116 016.
  6. Dein Arbeitgeber oder deine Arbeitgeberin ist dran: Der Vorfall muss analysiert und die Ursachen sowie Auslöser müssen identifiziert werden. Danach heißt es gegebenenfalls Maßnahmen überlegen, damit so etwas nicht erneut passiert. Außerdem sollte dein Arbeitgeber oder deine Arbeitgeberin Konsequenzen für die gewalttätige Person prüfen, wie z. B. eine Strafanzeige.

Wie kann ich Kolleginnen und Kollegen unterstützen, die Gewalt erlebt haben?

Hier gilt als allererstes auch, was bei dir selbst wichtig ist: Nimm die Gefühle der anderen Person ernst und stelle sie nicht infrage. Nach Gewalterlebnissen zweifelt man oft an sich selbst, deshalb ist es wichtig, dass von außen Verständnis und Mitgefühl kommt, sagt Claudia Vaupel über den kollegialen Umgang. Wenn du merkst, dass es deinen Kolleginnen und Kollegen schlechter geht, ermutige sie dazu, sich Hilfe zu suchen. Wenn du kannst, dann biete ihnen deine Unterstützung an. Man schätzt den eigenen Zustand oft falsch ein, andere sehen da eher, wenn es um einen schlecht steht, erklärt Claudia Vaupel.  

Gewaltprävention fängt außerdem ganz oben an, erklärt Claudia Vaupel: Das bedeutet konkret, dass Vorgesetzte Haltung zeigen und sich schützend vor ihre Mitarbeitenden stellen. Es sollte eine Betriebskultur geschaffen werden, die sich klar gegen Gewalt und Belästigung positioniert und in der ohne Tabu über Belästigungen jeglicher Art gesprochen werden kann – im Team und mit der Führungskraft. Wichtig ist, dass das Ganze nicht nur bei einem Lippenbekenntnis bleibt, sondern auch aktiv vorgelebt wird: gegenüber den eigenen Mitarbeitenden ebenso wie gegenüber Kundinnen und Kunden oder Patientinnen und Patienten. Diese Grundeinstellung und das Bewusstsein für Gewalt am Arbeitsplatz sorgt dafür, dass Vorfälle ernst genommen, nicht toleriert, wenn nötig konsequent verfolgt und die Beschäftigten bei einem Vorfall gut unterstützt werden.

Um mit Gewaltsituationen besser umzugehen, hilft es im Team regelmäßig über solche Vorfälle zu sprechen. Das stärkt den Zusammenhalt und zeigt, dass man sich gegenseitig ernst nimmt. Zudem gibt es Deeskalationstrainings, damit du in gefährlichen Situationen sicher reagieren kannst, diese werden in bestimmten Fällen auch von der BGW bezuschusst. Die Trainings können sowohl dir als auch deinen Kolleginnen und Kollegen ein besseres Gefühl für Gefahrensituationen im Beruf geben.